Wahlen bedeuten nicht immer Demokratie

Nun ist es wieder so weit – die Sozial“wahl“ 2011 findet in wenigen Wochen statt. 30 Millionen Mitglieder der deutschen Sozialversicherungssysteme werden aufgerufen, Ihre Stimme abzugeben. Wahlen gehörten ja zur Demokratie – das jedenfalls schreibt man in einem Pamphlet, welches als Anlage zu einem Schreiben des Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung Bund Herrn Dr. Rische millionenfach gedruckt und verschickt wird.

Nein, ich möchte mich nicht negativ über die Kosten dieses Verfahrens äußern. Wahlen in einer Demokratie können langwierig und teuer sein; das ist systemimmanent. Was mich als „Ossi“ seit meiner ersten Sozial„wahl“benachrichtigung vor vielen Jahren an diesem Prozedere stört, ist der Schein einer Demokratie, der hier vorgegaukelt wird. Im Stil der Nationalen Front werden fertige Listenvorschläge präsentiert, aus deren fast gleichlautenden „Programmen“ man dann freundlichst aus“wählen“ darf. Kandidaturen unabhängiger Bewerber stören da natürlich auch nur. Folgerichtig spart man sich eine Information weit vor den „Wahlen“ mit der Bitte um aktive Beteiligung, d.h. gegebenenfalls auch der Wahrnehmung eines aktiven Wahlrechts als Versicherter. Man bleibt viel lieber unter sich. Da es sich bei den „Gewählten“ – man nennt sich Vertreter – zu einem großen Teil um Personen aus dem Gesundheits- und Pflegesystem handelt, ist es auch völlig verständlich, dass keine Laien mitreden und gegebenenfalls wichtige Entscheidungen zerreden und blockieren sollen.

Wenn dem aber so ist, stellen sich zwei Fragen.

Zum einen die Frage des vertretbaren Aufwands. Warum wird nicht einfach ein Beirat bestellt, den die offensichtlich wohl organisierten Gruppen – woher kommen sonst die Listenvorschläge – in festzulegender Quote bestimmen. Festlegen können die Quote sicherlich die wirklich gewählten Volksvertreter, da sie ohnehin schon den übergrößen Anteil der Entscheidungen in den Sozialversicherungen gesetzlich regeln. Ein Millionenaufwand würde gespart und könnte in besserer Versorgung weit effektiver eingesetzt werden.

Die zweite Frage halte ich jedoch für wesentlich wichtiger – die des Einflusses derartiger Veranstaltungen auf das Demokratieverständnis der Bürger dieses Landes. Deren ständig steigende Politikverdrossenheit resultiert aus meinem Erleben zum einen aus undurchsichtigen Verfahren und zum zweiten aus dem Mangel an aktiver Beteiligung. Undurchsichtige Verfahren haben wir schon zu Hauf – die wichtigsten sind sicherlich die Entscheidungsverzerrungen aufgrund „föderaler“ Finanzierungsregeln, aber wie wir sehen, fügt die Listenaufstellung bei den Sozial“wahlen“ einen weiteren Baustein hinzu. Auch eine aktive Beteiligung fördert die Sozial“wahl“ überhaupt nicht, denn man soll ja nur abstimmen und sonst bitte den Mund halten.

Wenn nun aber die Sozial“wahl“ in ihrem Ansatz und ihrer Ausgestaltung die Politkverdrossenheit der Bürger stärkt, ist sie dann nicht sogar eher demokratiefeindlich?

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